Erwerbslose tragen die Arbeit weg
Wie Ein-Euro-Jobs beim Umzug des Bezirksamtes Neukölln Arbeitsplätze bedrohten
Peter Neumann
Ein-Euro-Jobs dürfen regulär bezahlte Arbeitsplätze nicht gefährden - das ist die Theorie. Doch die Praxis sieht anders aus. Das zeigt ein Beispiel aus Neukölln, auf das die Fuhrgewerbe-Innung Berlin am Freitag hingewiesen hat. Dort verzichtete das Bezirksamt bei einem Umzug darauf, wie bisher Mitarbeiter einer Spedition als Möbelträger einzusetzen. Stattdessen schleppten Ein-Euro-Jobber Tische und Schränke. "Das wird nicht der einzige Fall bleiben. Wenn es so weitergeht, werden auf dem regulären Arbeitsmarkt weitere Stellen wegfallen", befürchtet Innungs-Chef Gerd Bretschneider. "Wehret den Anfängen - sonst gibt es einen gewaltigen Druck auf die Löhne", warnt Dieter Pienkny, der Sprecher des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Berlin.
Bis vor kurzem war die Welt für die Neuköllner Detlef Fahrtmann Spedition noch halbwegs in Ordnung: Wenn das Bezirksamt Möbel zu befördern hatte, wurden meist auch Umzugshelfer bestellt. Doch diesmal orderte es nur einen Lastwagen und einen Fahrer. Thomas Brüggemann, seit fünf Jahren bei der Spedition, übernahm den Auftrag - und erlebte eine Überraschung: "Als ich am vergangenen Montag zum Rathaus in die Erkstraße fuhr, standen da ungefähr 30 Ein-Euro-Jobber. Sie sollten die Möbel tragen sowie ein- und ausladen - für 1,50 Euro die Stunde."
Zwar waren die Männer, die alle Arbeitslosengeld II beziehen, "bei der Sache". Trotzdem fühlte sich der Fahrer unwohl: "Da waren viele Ältere dabei, einer sogar über 60. Die haben einem richtig leid getan." Denn ein Umzug ist harte Arbeit, die zugleich aber auch viel Fingerspitzengefühl erfordert. So wird erzählt, dass bei den Amateuren einiges beschädigt wurde. "Viele waren früher beim Bau, es war aber auch ein ehemaliger Kassierer dabei", sagt Brüggemann. Persönlich hat er nichts gegen die Ein-Euro-Jobber. Doch unterm Strich stelle sich die Aktion für ihn als "die absolute Arbeitsplatzvernichtung" dar. Hätten nicht Erwerbslose die Möbel getragen, hätten sechs Mitarbeiter der Spedition die ganze Woche eine Beschäftigung gehabt, sagt Richard Marx aus der kaufmännischen Abteilung des Unternehmens. So aber mussten für die Arbeitnehmer andere Aufgaben gesucht werden. "Für uns war es das erste Mal, dass so etwas passiert. Wenn die Arbeitsmarktreform solche Blüten treibt, bringt das die Wirtschaft durcheinander", sagt Marx. Bretschneider ergänzt: "Firmen werden ihr Personal verringern müssen." Die Agentur für Arbeit kündigte an, dass sie den Fall prüft. "Denn in der Tat dürfen Ein-Euro-Jobs Arbeitsplätze auf dem so genannten ersten Arbeitsmarkt nicht gefährden", bekräftigt Olaf Möller, Sprecher der Regionalagentur.
Zur Kritik der Fuhrgewerbe-Innung und des DGB sagt er: "Dieser Denkansatz ist richtig." In dem Fall hätten Ein-Euro-Jobber Tätigkeiten übernommen, die bisher von Arbeitnehmern ausgeführt wurden, die normal entlohnt werden und Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Heinz Buschkowsky (SPD), der Bezirksbürgermeister von Neukölln, weist die Kritik jedoch zurück. "Die Argumentation hinkt", sagt er. "Natürlich könnten wir jeden Handschlag von einer Firma machen lassen" - doch nach dieser Logik wären gar keine Ein-Euro-Jobs möglich. In diesem Fall habe sich das Bezirksamt bemüht, zumindest einen Teil der Arbeiten an ein Unternehmen zu vergeben. Denn der Umzug hätte auch mit einem Lastwagen des Bezirks abgewickelt werden können.
http://www.berlinonline.de/berliner-...in/418970.html
Und noch der Clou dazu: Leute, die kein AGL II erhalten, weil der Lebenspartner zuviel verdient usw., haben keinen Anspruch auf solch eine Maßnahme.
Tatsache soll auch sein, daß Ämter/Behörden Stellen wie Hausmeisten usw. aus Kostengründen und anderen einfach streichen. Damit sind z. bsp. Schulen gezungen, wenn es an dem mangelt, daß sie diese Stellen mit Ein-Euro-Jobber als "Ersatz besetzen könnten" ...
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